Gefäß: gedreht - verdreht - abgedreht - Internationale Drechslerausstellung in der Handwerksform Hannover
Hannover, 18. März 2005.- Das Drechslerhandwerk ist sicherlich eines der ältesten Handwerke. Ein Handwerk allerdings, das durch industriell produzierte Massenprodukte in den letzten Jahrzehnten stark unter Druck geraten ist. Doch in einer Welt, die zunehmender virtueller wird, wächst die Sehnsucht nach dem Authentischen, nach unverfälschten Materialien, nach schönen Dingen, die dem Auge wohl tun und die sich im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ lassen. Im März und April 2005 zeigt die Handwerksform Hannover daher eine internationale Drechslerausstellung mit 30 Teilnehmern aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und den USA. Zwei Teilnehmerinnen und ein Teilnehmer stammen aus Hannover: Sabine Buntfusz, Iris Meinhard, Walter Hoppe.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen individuell gefertigte Unikate und Kleinserien. Gezeigt werden sowohl Gefäße, die für den täglichen Gebrauch bestimmt sind, als auch Exponate, bei denen die Grenzen zwischen Funktionalität und Objekt verschwimmen. Die Teilnehmer sind durchweg Drechsler, denen es gelungen ist, die alten Techniken mit modernen, zeitgemäßen Gestaltungsansprüchen in Einklang zu bringen, und zwar auf allerhöchstem Niveau. Auch ausgewählte Schülerarbeiten aus der Jakob-Preh-Schule (Bad Neustadt a.d. Saale) werden zu sehen sein.
Die Exponate decken ein breites Spektrum der Drechslerkunst ab. Ist es bei den sinnlichen Holzobjekten von Siegfried Schreiber die seidige Glätte des gedrehten und polierten Holzes, die fasziniert, so leben die dickwandigen Schalen aus Mooreiche oder historischem Bauholz von Ekkehard Körber durch die Spannung zwischen gefälliger Form, akkurater Verarbeitung und den groben Spuren von Alterung, Trocknung, Gebrauch oder Feuer an den unbearbeiteten Rändern der Schalen. Eine besondere Technik, mit Altersspuren im Holz umzugehen, hat auch Rüdiger Marquarding entwickelt. Er füllt die Trocknungsrisse mit Silber. Auf diese Weise werden die Altersspuren hervorgehoben und aufgewertet, und es entstehen Gefäße mit einer ganz eigenen Ästhetik.
Bei den an Kalebassen erinnernden und mit roter Wasserbeize eingefärbten Eibenholzgefäßen von Jörg Ulrich, der 2004 mit dem Niedersächsischen Förderpreis des Gestaltenden Handwerks ausgezeichnet wurde, ziehen vor allem die Maserungen, die je nach Lichteinfall unterschiedlich schimmern, die Aufmerksamkeit auf sich. Aber nicht nur Gefäße mit seidigglatter Oberfläche verlassen die Werkstatt in Rössing. Ulrich liebt das Spiel mit den Oberflächen. Er schnitzt, brennt, bleicht, pigmentiert oder arbeitet auch gern mit Materialkombinationen.
Mit dem Nebeneinander von rau und glatt spielt auch Peter Lüchau, der wie viele andere Aussteller seine Kunst bei Prof. Gottfried Böckelmann in Hildesheim erlernt hat. Auch der „Drechslerpapst“ selbst hat – 12 Jahre nach dem Ende seiner Lehrtätigkeit an der Fachhochschule in Hildesheim – zur Ausstellung in unterschiedlichen Drehtechniken gestaltete Büchsen beigesteuert.
Mit dem in Hildesheim lebenden Hans Weißflog ist einer der international wohl bekanntesten und erfolgreichsten Drechsler in der Gefäßausstellung vertreten. Anders als Peter Wagensonner, der gern mit raumgreifenden Objekten von sich reden macht, sind es nicht die großen Dimensionen, die Weißflog reizen. Seine Vorliebe gehört den kleinen Formen, und es sind exquisite Kostbarkeiten, die er mit unendlicher Geduld und großem technischen Können in der für ihn typischen durchbrochenen Technik fertigt.
Zwar ist das Drechslerhandwerk nach wie vor eine Domäne der Männer. Aber in der Ausstellung in der Handwerksform Hannover sind auch die Arbeiten von fünf Drechslerinnen zu sehen: Helga Becker, Sabine Buntfusz, Iris Meinhard, Ulrike Meyer und Christine Polheim (Schweiz). Iris Meinhard, die 1989 bei Professor Böckelmann ihre Meisterprüfung ablegte, stellt in der Ausstellung unter anderem ihre Lichtgefäße vor, Holzobjekte in Kombination mit Glas, bei denen durch die natürlichen Risse, farbige Leuchtelemente sichtbar werden.
Abgerundet wird die Ausstellung durch die Beiträge von Mike Mahoney, Alain Mailland und Jean-Francois Escoulen, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Der in Orem im Bundesstaat Utah lebende Mahoney steht für Gebrauchsgefäße und Schalenobjekte aus Holz auf allerhöchstem Niveau. Seit 1994 ist er professionell als Drechsler tätig. Für seine klassisch geformten Schalen verwendet er ausschließlich heimische Hölzer, die absolut fehlerfrei sein müssen. Aus dem Basismaterial dreht er zunächst die Grundform, dann werden die Schalen sechs bis 12 Monate lang getrocknet, bevor die Endfertigung erfolgt. Auf diese Weise gelingt es ihm, Gefäße zu produzieren, deren Haltbarkeit bei sachgemäßem Gebrauch praktisch unbegrenzt ist.
Eine völlig andere Sprache sprechen die beiden französischen Teilnehmer. Verspielt, ja filigran, sind die Exponate des in Südfrankreich lebenden Alain Mailland, der sich beim Drehen seiner Skulpturen von natürlichen und maritimen Formen inspirieren lässt. Auffallend sind auch die Objekte des international bekannten Drechslers Jean-Francois Escoulen, dem Meister des exzentrischen Drehens. Sie scheinen den Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen und entführen den Betrachter in eine andere, magische Welt.
Ausstellungseröffnung:
Freitag, 18. März 2005, 20 Uhr
Ausstellungstermin:
19. März 2005 bis zum 16. April 2005
Ausstellungsort:
Handwerksform Hannover, Berliner Allee 17, 30175 Hannover
Öffnungszeiten:
Di – Fr 11-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr, So, Mo und an gesetzlichen Feiertagen geschlossen.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. Von Hannover aus wandert die Ausstellung nach Madrid in die Galerie „AB ORIGINE“. Dort ist sie vom 05.05.2005 bis zum 19.06.2005 zu sehen.
Ansprechpartner:Dr. Sabine Wilp