Bäcker Handwerk

Herbst-Konjunktur 2022Handwerklicher Mittelstand bedroht

  • Aktueller Konjunktur-Bericht zeichnet einen deutlichen Rückgang der Geschäftslage über alle Branchen des Handwerks hinweg
  • Motor der deutschen Wirtschaft erstmals in der Nachkriegsgeschichte ernsthaft in Gefahr – Geschäftserwartung mit 63 Indexpunkten auf historischem Tiefstand
  • Lage und Entwicklung nur im Ausbauhandwerk noch klar positiv
  • Steigende Energiekosten belasten die Betriebe und die Konsumneigung - Politische Lösungen bleiben weit hinter dem Erforderlichen und Machbarem zurück

Hannover, 27. Oktober 2022.

Der im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellte Herbst-Konjunkturbericht zeigt mit aller Deutlichkeit: Auch im Handwerk, das in den Krisen 2009 und in den Corona-Jahren wichtigster Stabilisator war, wirken sich schon jetzt gestiegene Energiepreise und Inflation aus. Die Geschäftslage wird zwar insgesamt noch positiv bewertet, Umsatz- und Auftragslage sind aber schon jetzt im Vorjahresvergleich rückläufig.

Thomas Gehre, selbstständiger Unternehmer im Elektrohandwerk und Präsident der Handwerkskammer Hannover, bewertet die Ergebnisse des aktuellen Konjunkturberichts als alarmierend. "Die Rückmeldung aus den Betrieben zeigt deutlich, dass es fünf nach zwölf ist." Insbesondere für das Nahrungsmittelhandwerk sei die Situation desaströs. "Dabei haben viele Betriebe aufgrund von Altverträgen mit Energiedienstleistern noch nicht die volle Last erhöhter Kosten zu tragen." Auch die gestiegenen Rohstoffpreise, wie bei Weizen oder Zucker, erschwerten seit Monaten die Geschäftslage. "Es kann einen nur verwundert zurücklassen, wenn in einer derart angespannten Situation Politik mal wieder nicht Mittelstands-, sondern Industriepolitik ist. Es ist schlicht nicht hinnehmbar, wenn erst im März 2023 die zusätzlich zur Inflation und Rezession erdrückende Kostensituation in Bezug auf Energiepreise beantwortet werden soll", stellt Gehre klar. "Hier ist zügig nachzubessern, wenn auch wirtschaftlich gesunde Unternehmen nicht insolvent gehen sollen." Allein im Kammerbezirk beschäftigen rund 19.000 Betriebe mehr als 107.000 Menschen und bilden mehr als 8.000 Berufseinsteiger aus. "Das Handwerk war immer der Wirtschaftszweig, in dem es Beschäftigungssicherheit, nicht bloß Arbeitsplatzsicherheit gab. Seit Jahrzehnten wird in dieser Krise deutlich: Mit der falschen Politik kann sich das schlagartig ändern."

Für das kommende, vierte Quartal dieses Jahres geht mehr als jeder zehnte Betrieb davon aus, Beschäftigung abbauen zu müssen. "Das muss ein Weckruf für jeden Politiker sein", unterstreicht Gehre.

Demgegenüber werden Fachkräfte dringend benötigt. Daher komme es gerade jetzt auf die nachhaltige Wirksamkeit von Entlastungsmaßnahmen an, hebt Hauptgeschäftsführer Peter Karst hervor. "Es ist an der Zeit, entschieden zugunsten des qualifikationsstarken handwerklichen Mittelstands zu handeln", fordert er.

Nahrungsmittelhandwerk schlägt Alarm

Mit 71 Indexpunkten (Vorjahresquartal: 140) befindet sich die Geschäftslage im Nahrungsmittel-handwerk auf einem historischen Tiefststand. Betriebe können Preissteigerungen nicht voll und auch nicht auf mittel und lange Dauer an Kunden weitergeben. Nach Umfrageergebnissen konnten 88 Prozent der Betriebe die Preise erhöhen. Für das vierte Quartal sehen sich hierzu nur noch 76 Prozent in der Lage. Die Kunden sind aufgrund der unsicheren Entwicklung der Energiekosten preissensibel und greifen zu Substitutionsprodukten.

Dienstleitungshandwerk nach Corona-Pandemie erneut in der Krise

Das personennahe Dienstleistungshandwerk ist nach 2020 und 2021 mit Blick in die Zukunft erneut in der Krise: Zwei Drittel der Betriebe klagen aktuell über Auftragsrück- und mehr als die Hälfte über Umsatzrückgänge. Der Erwartungsindex bricht um 57 Punkte auf einen Wert von 49 Punkte ein.

Bauhandwerk erstmals seit Jahrzehnten deutlich negativ gestimmt

Mit 57 Indexpunkten ist die Zukunftserwartung im Bausektor so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht. Die Baukosten explodieren aufgrund signifikant gestiegener Rohstoffpreise und Energiekosten entlang der gesamten Lieferkette. Private Bauherren stornieren Aufträge aufgrund gestiegener und voraussichtlich weiter steigender Zinsen. "Die stockende Baukonjunktur verdeutlicht: Das Land steht vor einer tiefen Rezession. Insbesondere vor dem Hintergrund des Wohnbedarfs in Deutschland sind diese Entwicklungen dramatisch", stellt Kammerpräsident Gehre heraus.

Geschäftsklimaindex nur in der Stadt Hannover über 100 Punkten

In den einzelnen Landkreisen des Kammerbezirks sowie der Region und der Stadt Hannover zeigt sich eine durchgehend negative Entwicklung des Geschäftsklimaindizes. Nur für die Stadt Hannover kann ein Indexwert über 100 verzeichnet werden. Die Region Hannover sowie die übrigen Landkreise liegen zwischen 76 bis 93 Indexpunkten. "Dementsprechend war der Verlust an Indexpunkten in der Stadt Hannover mit 23 Punkten deutlich geringer als im Landkreis Hameln-Pyrmont mit -53 Punkten. Die Region Hannover, sowie die Landkreise Diepholz, Hameln-Pyrmont, Nienburg und Schaumburg verlieren zwischen 35 und 45 Punkten", fasst Dr. Matthias Lankau, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik die Lage zusammen.

Hinsichtlich der zukünftigen Geschäftsentwicklung sind die Betriebe in allen Landkreisen pessimistisch. In den Landkreisen Hameln-Pyrmont, Nienburg, Schaumburg und Diepholz sowie der Region Hannover liegt der Erwartungswert zwischen 47 und 64 Punkten; lediglich die Stadt Hannover erreicht 80 Punkte im Lageindex. Im Landkreis Nienburg liegt der Erwartungswert 93 Punkte unter dem Lagewert. In den anderen Regionen bzw. Landkreisen liegt der Erwartungswert zwischen 62 und 78 Punkten unter dem Lagewert. In der Regionalauswertung zeigt sich die Verunsicherung der Handwerksbetriebe besonders hinsichtlich Preissteigerungen im Einkauf sowie abnehmender Kaufkraft in der Bevölkerung.




 Den Herbst-Konjunkturbericht sowie alle Grafiken finden Sie zum Download unter www.hwk-hannover.de/konjunktur



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Nina Lemmerz-Sickert

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