Ausbilder Sebastian Heydt ist sehr zufrieden mit seiner Auszubildenden Finja Brandt.
Als Frau in einer Männerdomäne„Jeder hat seine Stärken und Schwächen!“
Hannover.- (see) Als Frau eine Ausbildung zur Gerüstbauerin machen? Das ist äußerst selten. Im Blockunterricht an der Berufsschule in Dortmund, wo angehende Gerüstbauer aus West- und Norddeutschland zusammenkommen, sind von rund 200 Auszubildenden gerade einmal drei Frauen. „Ich hätte mich wahrscheinlich auch nicht für das Gerüstbauerhandwerk entschieden, wenn es nicht unseren 61 Jahre alten Familienbetrieb gäbe“, sagt Finja Brandt, Enkelin des Firmengründers, ehrlich.
Nach dem Fachabitur Wirtschaft hatte sie zunächst ein Bauingenieurstudium begonnen, doch der Praxisbezug fehlte ihr hier. „Ich wollte lieber draußen arbeiten und anpacken“, erzählt Finja. Deshalb machte sie zunächst eine Ausbildung zur Garten- und Landschaftsbauerin – ein Backup, „falls es mit dem eigenen Betrieb oder der Familie doch nicht klappt“.
Wichtig für Brandt: Beruf von der Pike auf lernen
Mit 25 Jahren steht für sie nun aber fest: Sie will in den Familienbetrieb, die Wilhelm Kunkel GmbH in Bad Nenndorf, einsteigen, den inzwischen ihr Bruder führt. Und zwar, indem sie das Handwerk von der Pike auf lernt. „Als Quereinsteigerin – das kam für mich nicht in Frage. Ich kann später keine Aufgaben verteilen, wenn ich nicht weiß, wovon die Rede ist“, ist die junge Frau überzeugt.
Und wie ist es als Frau in einer Männerdomäne? „Klar, es gibt schon mal blöde Sprüche auf der Baustelle, meist von anderen Gewerken. Aber damit kann ich umgehen“, betont die Auszubildende. „Eine Ausnahme zu sein, ist auch cool.“ Sie schätzt den direkten Umgangston ihrer männlichen Kollegen: „Die sagen ihre Meinung und klären Probleme direkt.“ Ihr Ausbilder Sebastian Heydt ergänzt: „Sicher nehmen ihr die Kollegen auch körperlich sehr schwere Arbeiten ab, aber mit Hilfsmitteln kann sie auch als Frau fast alles bewältigen.“
Nächster Schritt: Meistertitel
Nach einem halben Jahr zieht Finja Brandt eine positive Zwischenbilanz. Der Beruf sei abwechslungsreich und mache ihr sehr viel Spaß – besonders das Lkw-Fahren. Die Einsatzorte reichen von privaten kleinen Giebeln bis zu Großprojekten wie dem Schloss Bückeburg oder der Christuskirche in Hannover.
Langfristig möchte Finja in die Bauleitung wechseln und mehr mit Kunden arbeiten. Den Meistertitel will sie direkt im Anschluss an die Ausbildung erwerben, um zunächst als angestellte Meisterin Erfahrungen zu sammeln. „Weiter denke ich noch nicht“, sagt sie. (10.11.2025)