Ein Rundgang über die Dächer von Ewald Bedachungen. V. l. n. r.: Hauptgeschäftsführer Peter Karst, Kammerpräsident Thomas Gehre, Wirtschaftsminister Olaf Lies, Betriebsinhaberin und - inhaber Silke und Jörg Ewald.
MIttelstandsdialogUnternehmen brachten ihre Anliegen vor
Hannover.- (sr/see) Viele Unternehmerinnen und Unternehmen sehen sich herausfordernden Aufgaben gegenüber: dem Fachkräftemangel, einem überbordenden bürokratischen Dschungel sowie stark gestiegenen Energiepreisen. Herausforderungen, die das Handwerk allein nicht bewältigen kann, hier bedarf es Antworten und Unterstützung vonseiten der Politik.
Um einen direkten Dialog zwischen Politik und Handwerk zu ermöglichen, hatten die Handwerkskammer Hannover und die IHK zum Mittelstandsdialog mit Wirtschaftsminister Olaf Lies am 21. September 2023 in die Handwerkskammer Hannover eingeladen.
Zuvor wollte sich der Minister aber noch ganz praktisch ein Bild von der Lage, aber auch den Sorgen und Nöten in den niedersächsischen Unternehmen machen. Er hatte Anzug gegen Jeans und T-Shirt getauscht und legte bei einem Betriebsbesuch bei Ewald Bedachungen selbst Hand an. Begleitet wurde er von Handwerkskammerpräsident Thomas Gehre, Hauptgeschäftsführer Peter Karst und vielen Vertretern und Vertreterinnen aus Handwerk und Umweltschutz.
Lies: „Wir müssen Leute ins Handwerk bringen!“
„Handwerk und Mittelstand sind Treiber der Energiewende. Dieser Termin ist großartig, um zu zeigen, wie vielfältig Handwerk ist. Wir müssen die Leute ins Handwerk bringen, denn hier können sie aktiv an einer besseren Zukunft mitwirken!“, ist Lies sich sicher.
Jörg Ewald, der vor 34 Jahren die Firma von seinem Vater übernahm und damals schon das erste Gründach anlegte, erzählte mit viel Engagement wie klimaneutral, innovativ und effizient Handwerk sein kann: „Wir denken ganzheitlich. Mit unserer ökologischen Betriebsführung und dem Einsatz von umweltverträglichen Produkten arbeiten wir nicht nur effizient, wir tun der Umwelt auch etwas Gutes. Nach zehn Jahren hat sich ein Gründach beispielweise amortisiert und hat gleichzeitig viele positive Effekte auf das Klima.“ Seine Frau Silke Ewald ergänzt: „Viele Kunden sind auf uns aufmerksam geworden, aber wir brauchen mehr Handwerker und Handwerkerinnen, die sich mit dem Thema Dachbegrünung und PV-Anlagen auseinandersetzen. Wir müssen das Thema an die Uni, in die Ausbildung und zu den Meistern bringen!“
Während der Begehung der verschiedenen Gründächer durften Olaf Lies und Kammerpräsident Gehre selbst Hand anlegen und bei der Installation eine PV-Anlage mitarbeiten und im Anschluss das neue Retensionsdach des Holzlagers einweihen.
Mittelstandsdialog: Wirtschaft hat auch viel mit Vertrauen zu tun
Nach dem Betriebsbesuch in der Dachdeckerei Ewald hatten die Handwerkskammer Hannover und die IHK Hannover ihre Mitgliedsbetriebe zum Mittelstandsdialog mit dem Minister in die Handwerkskammer Hannover eingeladen.
„Wir brauchen wieder mehr Vertrauen und Freiraum. Nicht alles könne von der Politik durchreguliert werden“, so begann Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Hannover ihr Eingangsstatement, den sie als dringenden Appell zur Verringerung der Bürokratie verstanden wissen wollte. Handwerkskammerhauptgeschäftsführer Peter Karst ging sogar noch einen Schritt weiter, und beklagte einen, noch weitergehenden Vertrauensverlust in die Politik. „In vielen Gesprächen höre ich, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer weniger einbringen in die politische Auseinandersetzung, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Wünsche und Anregungen nicht gehört bzw. angenommen werden“, so Karst. Und das sei für die Gesellschaft insgesamt eine gefährliche Entwicklung.
Von Bürokratiemonstern und dem Damoklesschwert Energiepreise
Die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer hatten allerdings großen Gesprächsbedarf. Vom Bürokratiemonster der elektronischen Krankschreibung über die zurückzahlbare Corona-Soforthilfe bis zur unfassbar komplizierten Beantragung der Digitalisierungsförderung bei der NBank – die Wortmeldungen waren vielfältig und wurden mit Nachdruck vorgetragen.
Der Wirtschaftsminister verstand die Dringlichkeit und teilte das Ziel, dass Gesetze und Verordnungen einfacher sowie die Verwaltung schneller werden müsse. Er warb aber gleichzeitig um Verständnis, dass nicht alles sofort und umfassend geändert werden könne.
Neben der überbordenden Bürokratie waren noch der Fachkräftemangel und die Energiewende Themen, die auch den Unternehmen auf den Nägeln brannten. Einig waren sie mit dem Minister, dass die Akademisierung der Bildungsgänge fatal sei. Dazu müsse man bei der Berufswahl aber insbesondere die Eltern ins Boot holen und die Berufsorientierung vor allem an den Gymnasien ausbauen.
"Wir müssen eine Lösung für die hohen Energiekosten finden."
Was die Belastung der Betriebe durch die Energiepreise angeht, meldeten sich insbesondere die Bäcker zu Wort. Sie müssten sich gegen die industriellen Großbetriebe behaupten, die in der Krise Zuschüsse bei den Energiekosten bekämen. „Wir müssen eine Lösung finden, die allen Luft bei den Energiekosten verschafft“, versicherte Lies. „Das sei eine finanziell große Herausforderung, die wir aber in den Griff kriegen müssen.“
Beim Austausch nach der anderthalbstündigen Veranstaltung waren sich viele einig, dass es gut sei, wenn die Politik sich direkt den Problemen der Unternehmern und Unternehmerinnen stellte. „Wir haben uns über die angeregte und zum Teil auch kontroverse Diskussion gefreut, denn nur, wenn Wirtschaft und Politik im Austausch bleiben, haben wir die Chance, dass wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen geschaffen werden, die die Betriebe bei den zentralen Herausforderungen der Transformation unterstützen“, resümiert Hauptgeschäftsführer Peter Karst. (25.09.2023)
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